Ethische Entscheidungsfindung in Asylverfahren

Markus Gerhold, Richter am Asylgerichtshof in Wien, referierte im Zuge einer Veranstaltung der Gesellschaft für Ethik über Asylverfahren in Österreich und gab praktische Einblicke in ethische Aspekte der richterlichen Entscheidungsfindung.

Die wichtigste Tätigkeit eines Asylrichters ist die Glaubhaftmachung der Flüchtlingskriterien zu beurteilen, eröffnete Gerhold seinen Vortrag zum Thema „Ethische Entscheidungsfindung in Asylverfahren“ an der Universität Wien, der von der Gesellschaft für Ethik veranstaltet wurde. Die Glaubhaftmachung der Flüchtlingskriterien genügt nämlich um Asyl gewährt zu bekommen, ein Nachweisen dieser Umstände ist nicht erforderlich. Die Verfolgung von Flüchtlingen nachzuweisen ist in der Praxis auch kaum möglich. Kein Staat werde sich beispielsweise bereit erklären ein Folterzertifikat als Beweis auszustellen, stellte Gerhold die Situation pointiert dar.

Bei der Beurteilung der Glaubhaftmachung fließen auch am ehesten ethische Aspekte in die Entscheidungsfindung mit ein. Diese kommen dabei schon darin zum Ausdruck, ob ein Richter dem Akt gleich einen negativen Bescheid erteilt oder nicht, erklärte der Richter. Persönlich versuche er jedem Asylwerbenden die Chance zu geben seinen Fall zu erzählen. Dies spiegelt sich auch in seiner Verhandlungsquote von 99% wider.

Fluchtgründe

Um als Flüchtling zu gelten haben neben der Verfolgung, einem Verfolgungsgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention und wohlbegründeter Furcht ebenso der Aufenthalt außerhalb sowie fehlender Schutz durch den Heimatstaat vorzuliegen, erläuterte Gerhold. Als zulässige Fluchtgründe werden die Verfolgung aufgrund der Rasse, der Religion, der Nationalität, der poltischen Gesinnung sowie der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe anerkannt. Gerhold wies daraufhin, dass das Vorliegen eines Fluchtgrundes ausreicht um Anspruch auf Asyl zu haben.

Entscheidungsvarianten

Ist ein Flüchtlingskriterium nicht glaubhaft gemacht worden, muss es aber nicht gleich zur Ausweisung kommen, betonte Gerhold. Denn zwischen der Ausweisung in das Heimatland und der Gewährung von Asyl bei Glaubhaftmachung liegen die Gewährung von subsidiärem Schutz sowie die Untersagung der Ausweisung. Bei subsidiärem Schutz werden individuelle Gründe geprüft, wie etwa Lebensgefahr durch eine Krankheit, die in dem Heimatstaat nicht behandelt werden kann. Unter dem Begriff „Untersagung der Ausweisung“ ist langläufig Integration gemeint, erläuterte der Richter. Bei der Integration werden mehrere Kriterien wie etwa die Länge des Aufenthaltes, Deutschkenntnisse aber auch die Straffälligkeit geprüft. Gerade bei der Aufenthaltsdauer im Land kritisierte Gerhold die Ansicht des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der eine Ausweisung nach zehn bis zwölf Jahren als akzeptabel ansieht. Seine persönliche Grenze zieht Gerhold bei 5 Jahren.

Subsidiärer Schutz

Die Entscheidung Asyl zu gewähren oder nicht ist sehr einfach, da die Rechtsordnung hier einen engen Rahmen vorgibt. Deutlich schwieriger ist eine Entscheidungsfindung bei Gewährung subsidiären Schutzes. Gerhold kritisierte in diesem Zusammenhang die Ansicht des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Für den EGMR bestehe subsidiärer Schutz nämlich erst dann, wenn der Asylwerber „schon knapp am krepieren ist“, zeigte sich der Asylrichter bewegt. Diese Ansicht kann er nicht teilen und beschrieb das Schicksal eines armenischen Flüchtlings, der an schwerer Tuberkulose litt und dem anfänglich kein Asyl gewährt wurde. Da der Armenier in seinem Heimatland Georgien zusätzlich als Angehöriger einer Minderheit nur Hilfsarbeiterjobs, in Branchen die seine Gesundheit zusätzlich und somit sein Leben bedrohen würden, ausüben konnte, gewährte ihm Gerhold subsidiären Schutz.

Werden die Asylanträge von Jahr zu Jahr auch mehr, macht sich ein deutlicher Überhang an Ausweisungen von Asylanten bemerkbar. Rund 70-75% der Asylanträge enden negativ und führen zu einer Ausweisung, schloss Gerhold seinen Vortrag.

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